03. Oktober 2022 • Über Uns
Aldo Raineri (Raineri 2013) prägte den Begriff der Crowd Science, der Massenwissenschaft. Er stellt fest, dass Menschenansammlungen eine gewisse Dynamik entwickeln, die sowohl von den Bewegungen der Menge als auch von Einzelnen innerhalb dieser Menge abhängen. Das Verhalten unterschiedlicher Individuen innerhalb der Menge und die Motivation der Gruppe, sowie auch auftretendes Fluchtverhalten, prägen das Verhalten der Menschenmenge. Diese Bewegung und dieses Verhalten von Menschenansammlungen sin es, die möglicherweise zu Problemen führen können. Als relevante Faktoren für das Auftreten von Problemen nennt Raineri die Dichte, also die räumliche Enge, die Dynamik und das Verhalten der Masse und der einzelnen darin.
Verschiedene Arbeiten haben sich damit beschäftigt, welche Dichte von Personen in einer Menschenmenge eine vertretbare Dichte darstellen und ab welcher Dichte eine Gefährdung besteht. Fruin (vgl. Fruin: 1993, Seite 40) gab an, dass eine Dichte von 7 Personen pro Quadratmeter als sehr gefährlich einzustufen ist. Der Druck durch die Masse steigt, führt zu Schwierigkeiten beim Atmen und einem erhöhten Stressniveau. Auch die zunehmende Hitze durch dicht gedrängt stehende Menschen kann zu Kreislaufproblemen führen. Weiterhin ist der Zugang zu Personen, die in einer solchen Umgebung durch Sauerstoffentzug, Stress und/oder Kreislaufschwäche ohnmächtig werden, sehr erschwert bis unmöglich und das Risiko, dass auf sie getreten wird, ist sehr hoch.
Lee and Hughes (2006) stellten fest, dass es zwei Arten von tödlichen Konsequenzen in einer Menschenmasse gibt. Jede dieser tödlichen Konsequenzen macht etwa die Hälfte der Todesfälle aus, die in Menschenmassen auftreten. Die erste Art ist das Todtrampeln von Fussgängern in sehr dichten Menschenmassen. Fällt ein Fussgänger in einer solchen Menschenmasse hin, ist es ihm durch die Bewegungen der Masse um ihn herum oft nicht möglich, wieder aufzustehen. Diese Art von Unfällen kann bei einer Massenbewegung wie dem Verlassen eines Sportstadiums entstehen, etwa durch eine Verengung an den Ausgängen (vgl. Fruin 1988).
Im zweiten von Lee and Hughes beschriebenen Fall werden Personen in einer sehr dichten Menschenmenge zerdrückt. Dies ereignet sich vor allem dann, wenn eine physische Weiterbewegung einer Menge nicht mehr möglich ist und die Menge von hinten weiter nachdrückt, was den Druck verstärkt. Dies kann dazu führen, dass Stahlgeländer verbogen oder gar Wände eingedrückt werden. Die Personen, die am nächsten an diesen Geländern oder Wänden stehen, erleiden den grössten Druck, was zu Atemnot und möglicherweise Ersticken führen kann. Das Zeitfenster zur Abhilfe in einer solchen Situation besteht in wenigen Minuten.
Menschen entwickeln in einer Menge bestimmte Dynamiken, die spontan entstehen und sich ebenso spontan wieder auflösen oder aber dauerhaft bestehen können. Gerade bei sportlichen Veranstaltungen bestehen innerhalb einer Menschenansammlung gewisse Gruppen, die auch gegensätzliche Parteien bilden können, etwa die Anhänger der jeweiligen Gegner des Spiels (vgl Stott et al, 2007). Es ist wichtig, die Motivation dieser Gruppen zu verstehen, um eventuelle Risiken zu vermeiden.